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Zwei Wochen in Litauen #2 | Sveika Lietuva!


Hallo Litauen!

Litauen,

das Land in dem Bier „Alus“ heißt, man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht und es am Ostseestrand Sand wie Sand am Meer gibt.

 

Das sollte also unser diesjähriges Urlaubsziel sein. Sicher (noch) nicht das klassische Reiseland für den erholungsbedürftigen Westeuropäer, auch wenn es, zumindest nach dem Genuss diverser Alkoholika, ein bisschen wie Italien klingt. Aber die Eckdaten versprechen schon so einiges: Unberührte Natur im Landesinneren, leere Strände, eine quirlige Hauptstadt und – darauf hofften meine Kamera und ich – noch etwas postsozialistischen, maroden Charme.

 

So erreichten wir also nach einer Nacht in Polen die Landesgrenze und setzten die Reise mit geschmeidigen 80 bis 100 Stundenkilometern fort. Jede höhere Geschwindigkeit hätte entweder zu irreparablen Schäden an der Achsaufhängung oder zu massivem Ärger mit den örtlichen Sicherheitsbehörden geführt – und weder das eine noch das andere fördert den Beginn eines erholsamen Urlaubs. Nach ein paar Stunden erreichten wir dann unser erstes Ziel: Ein vermeintlich einsames Hotel am See im Wald, von der Kleinstadt Moletai ungefähr fünf Kilometer entfernt.

Die Gegend würde sich eigentlich ideal zum Wandern eignen. Vorausgesetzt man ist im Besitz einer vernünftigen Karte, ist befähigt, diese auch lesen zu können und auch sonst unerschrocken. Denn richtige Wanderwege beziehungsweise Wanderkennzeichen sucht man hier vergebens. Man läuft stattdessen plötzlich an einer nicht ungefährlichen Straße entlang oder sieht sich einem unfreundlich gesinntem Kettenhund gegenüber, wenn der einzige Feldweg direkt auf einen Hof zusteuert. Dazu ist der Wald, besonders bei schlechterem Wetter, ziemlich düster. Der Stoff aus dem Horrorfilme gemacht werden: „Wartet hier, ich geh allein und unbewaffnet durch das Dickicht und schaue nach einem Weg“ … Ende bekannt.

 

Also im Grunde nichts für Genusswanderer wie uns, die es gerne absolut idiotensicher haben und beim Wandern nicht denken wollen. Ist ja schließlich Urlaub. So beschränkten wir uns auf Spaziertouren am See entlang. Die waren allerdings sehr schön. Wenn man so am Schilfgürtel entlangspaziert und sich plötzlich ein Storch aus dem Dickicht erhebt, hat das schon was für sich.   

Was mir an diesem See sehr gut gefallen hat, waren die zum Teil verfallenen Feriencamps, mit ihrem fast schon morbiden Charme. Die vermutlich noch aus sozialistischen Zeiten stammen –höchstwahrscheinlich gab‘s die nicht nur an diesem See. Wie wir dann feststellten, begannen die Ferien in Litauen just zu dem Zeitpunkt als wir dort waren. So waren nach ein paar Tagen die noch halbwegs intakt aussehenden Camps belegt. Wahrscheinlich weiß jeder aus eigener Erfahrung noch, dass in Feriencamps gern gefeiert wird...

 

Was auch charakteristisch für Seen in Litauen ist (zur Info für Freunde des gepflegten Campingurlaubs), ist die Tatsache, dass man überall wild campen darf. Also halbwild. Meistens hängt an irgendeinem Baum eine Telefonnummer die man anrufen sollte um sein Bleiben anzukündigen. Daraufhin kommt jemand vorbei und kassiert ein paar Euro. Das gleiche Prinzip gilt wohl auch bei eingezäunten Campingplätzen, die meistens sogar eine Toilette und eine Feuerstelle besitzen.   

Wir hatten unser Walddomizil aber nicht nur ausgesucht um die ganze Zeit faul am See zu liegen oder durch die Gegend zu marschieren (was ja, wie gesagt, nur eingeschränkt möglich war). Sondern wollten ihn auch als Ausgangspunkt für diverse Ausflüge nutzen. Unter anderem in die Hauptstadt Vilnius. Da man in Litauen so ziemlich alles mit dem Bus erreichen kann, lag es nahe, Auto und vor allem Nerven zu schonen (der litauische Fahrstil ist etwas…nennen wir es mal „speziell“) und den Moletaischen Busbahnhof aufzusuchen.

Eine gute Stunde später waren wir dann in Vilnius. Oder – weil niemand weiß, wo es ist, aber wenn man es findet, ist es großartig – dem G-Punkt Europas. Das war zumindest ein Stadtmarketing Slogan aus dem Jahr 2018. Fanden manche Vilniuser nicht so spitze. Ich find‘s immer noch besser als die Klassiker hierzulande. Wie früher Karlsruhe zum Beispiel. „Viel vor. Viel dahinter.“ Dazwischen ist ja auch nichts was sich lohnen könnte. Aber das nur am Rande.

 

Vilnius ist eine Stadt im Wandel. Auf der einen Seite eine wunderschöne Altstadt mit historischen Gebäuden und Plätzen. Auf der anderen Seite mit noch alten Gebäuden aus Sowjet- und Vor-EU-Zeiten und jede Menge Bautätigkeit rund um diese Gebäude. Sofern es ist noch möglich ist, diese zu verschönern oder auch gleich abzureißen. So steht hier moderne Architektur direkt neben baufälligen Baracken.

Wer auf Kirchen steht, für den ist Vilnius ein wahres El Dorado. Nicht umsonst auch gerne „Rom des Ostens“ genannt.

Kirchen sind jetzt aber nicht so mein Ding. Viel interessanter fand ich die „Unabhängige Republik Užupis“, eine Mischung aus Christiania in Kopenhagen und dem Schanzenviertel in Hamburg. Ein Bezirk, der in den 1990er Jahren noch völlig abgeranzt war, bis ihn unter anderem Künstler für sich entdeckten.

So wurde im Rahmen einer Kunstaktion die unabhängige Republik Užupis ausgerufen. Mit eigener Verfassung, Flagge und Präsidenten.

Eigentlich brauch ich es nicht zu erwähnen, aber auch diesem Stadtviertel wird das Schicksal anderer, ähnlicher Quartiere zuteil: das Übel der Gentrifizierung. Mach‘s zur hippen Ecke, saniere teuer und schmeiß das hippe Zeug wieder raus. Man sieht es noch nicht überall, es ist aber deutlich zu spüren.  

Ansonsten kann man die Hauptstadt durchaus als quirlig bezeichnen. Ruhige Ecken ohne Autoverkehr oder mit wenig Menschen finden sich selten. Natürlich kann man sich nach einem knapp fünf stündigen Tagesausflug kein abschließendes Urteil von einer Stadt bilden, aber das was wir in der kurzen Zeit gesehen haben, lohnt einen Städtetrip. Für Streetfotografen fällt auf jeden Fall auch was ab, und in nur knapp 30 Stunden erreicht man Vilnius mit dem Fernreisebus von Stuttgart aus.

Da das Wetter am nächsten Tag nicht unbedingt besser wurde, haben wir noch ein anderes Ausflugsziel gewählt. Und zwar DEN Touri-Hotspot in Litauen schlechthin: Die Wasserburg Trakai mit dem dazugehörigen Dörfchen.

 

Ja was soll ich sagen. Es ist eine Burg im See. Viel Verkaufsgedöns drum herum, jede Menge Ausflugsbootsbesitzer, die einen wasserseitig ringsum um die Burg schippern wollen und unzählige Menschen. Wer so Mittelalter-Zeugs mag und sich, ob des Leidens, grimassenschneidend in Folterinstrumenten ablichten lassen will, bekommt hier die Gelegenheit dazu. Ob die Menschen im Mittelalter ihr Leben auch so amüsant fanden wie es auf diesen unsäglichen Mittelalter-Märkten verklärt wird, steht auf einem anderen Blatt. Tandaradei.

Natürlich haben wir uns auch das kleine Städtchen Moletai in der Nähe unseres Hotels angeschaut. Schon allein deshalb, um nicht immer dort essen zu müssen und um etwas Lokalkolorit zu schnuppern. Also im wahrsten Sinne des Wortes. Leider hat sich in den hiesigen Bars und Restaurants keiner für uns interessiert. Den Autokennzeichen nach zu urteilen verirren sich nicht oft Touristen aus anderen Ländern in diese Gegend. Aber sei‘s drum. Das Alus war gut und das Essen auch. Das meiste ziemlich deftig, und überraschend gute Pizzen gibt‘s auch. Also doch ein bisschen Italien.

Der Ort an sich ist eher unspektakulär, aber sehr nett. Eine Woche Aufenthalt ist dann aber auch ausreichend.

Nun aber genug von Wald, See und Schmuddelwetter. Ab an die Ostee: Nach Klaipeda.

 

In einigen Blogs im Vorfeld konnte ich lesen, dass sich Klaipeda eigentlich nicht lohnt. Anscheinend wäre die Altstadt zu klein, zu viel Industrie und auch sonst hätte die Stadt nichts zu bieten, was sich lohnt. Man soll sich gleich auf in Richtung Kurischer Nehrung machen und die Stadt hinter sich liegen lassen.

 

Mitnichten.

 

Klaipeda ist ein richtig nettes Städtchen mit dem typischen Flair einer Hafenstadt. Dazu mit einem sehr überzeugenden Stadtstrand, an dem wir auch glücklicherweise unser Hotel hatten. Wobei Hotel etwas übertrieben ist. Es war eine Bar mit Fremdenzimmer und Bett, bei denen die Bandscheiben einen Aufenthalt länger als eine Woche nicht verziehen hätten.

Obwohl Klaipeda die älteste Stadt Litauens ist, wirkt sie – sicher dank der Universität – recht jung und modern. Es gibt viele Cafés und andere Restaurationen, die Altstadt ist sehr charmant und auch sonst gibt es einiges zu entdecken. Lohnt sich.

Und da wir schon ganz in der Nähe waren, wollten wir natürlich auch auf die Kurische Nehrung. In nur fünf Minuten mit man mit der Fähre drüben, kann sich in einen Bus klemmen und noch etwa eine Stunde in das „Hauptdorf“ Nida fahren. Oder man fährt eine halbe Stunde in das nächstgrößere Dorf davor und leiht sich Fahrräder. Blöd nur, wenn eines dieser Fahrräder auf der Strecke das Zeitliche segnet (für euch getestet). Also doch Bus. Nida ist vor allem bekannt für seine riesigen Dünen, auch gerne die „Sahara des Ostens“ genannt. Für das Dörfchen selber wurde das Wort „pittoresk“ erfunden. Ein weiteres kulturelles Highlight ist das Thomas Mann Haus mit integriertem Museum.

 

Die Nehrung ist auf jeden Fall der touristischste Teil Litauens. Hier hat sich so ziemlich alles auf Besucher eingestellt. Entsprechend groß ist das Angebot an Appartements und anderen Übernachtungsmöglichkeiten. Herausragend ist der unendlich lange Ostseestrand – dürfte selbst in der Hochsaison kein Problem sein. einen Platz im Sand zu suchen, ohne auch nur annähernd in menschlichen Kontakt zu kommen. Ein Traum für Misanthropen.

Nach zwei Wochen war‘s dann auch schon vorbei mit dem Urlaub. Was bleibt als Fazit? Litauen ist durchaus ein Land, das sich gut bereisen lässt. Eine Wettergarantie im Sommer gibt‘s in diesen Breiten natürlich nicht. Aber wer keinen gesteigerten Wert auf 30 Grad und mehr legt, ist temperaturmäßig schon mal nicht falsch.

 

Die Landschaft ist traumhaft und erholsam. Die urbanen Gegenden auf jeden Fall sehenswert. Und wer es auch im Urlaub nicht lassen kann, seine sozialen Medien zu befüttern, hat in Litauen mal gar keine Probleme: In jedem noch so hinterletztem Winkel im absoluten Nichts, also da wo, sich Fuchs und Hase nicht nur Gutenacht sagen, sondern schon eine erotische Liason eingegangen sind, gibt es stabilsten LTE Ausschlag.

 

Was etwas gewöhnungsbedürftig war, ist der Umgang mit Touristen. Ich spreche hier natürlich nur von den Menschen, denen wir begegnet sind. Die waren zum Teil sehr freundlich, der größere Prozentsatz allerdings eher unterkühlt, manche auch regelrecht unfreundlich. Auch hier hab ich in verschiedenen Quellen nachgelesen, dass man das nicht persönlich nehmen sollte, sondern der eher harsche Umgangston einfach normal ist.

Litauen ist auf jeden Fall ein Land, das sehr viele Möglichkeiten für jedwede Art von Urlaub bietet.

Ich kann es nur empfehlen.

 

Und damit ihr nicht glaubt, dass euer Bildschirm euch die Farbanzeige verwehrt, gibt´s jetzt noch ein paar litauische Impressionen in bunt.

Bis bald,

 

Euer TeeKay


Streetfotografie - made in Germany. Das Buch.

 

Ein, in dieser Form, wohl einmaliger Querschnitt durch die deutsche Streetfotografie.

Von und mit Nicole Struppert, Kay von Aspern, Mario Cuic, Siegfried Hansen, Marco Larousse, Christopher Reuter, Fabian Schreyer, Max Slobodda, Martin U Waltz und mir.

 

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