Küss die Hand, gnä´Frau.
Es ist noch Januar und der regelmäßige Besucher dieses Blogs (so es die überhaupt gibt – falls ja: danke!) weiß, was jetzt kommt: Das Reiseblögle der obligatorischen Januar Städtetour. Heuer führte unsere Tour vier Tage nach Wien.
Wien: Dabei denkt man natürlich an Schnitzel, Sachertorte mit Schlagobers in Caféhäusern, Prater, Fiaker, Schloss Schönbrunn, Opernball und, und, und. Die Liste ließe sich nahezu endlos fortsetzen. Ein paar Klassiker spreche ich hier an, aber um die Touri-Hotspots mache ich wie meistens einen Bogen, ich bitte diese Dinge in den einschlägigen Insta-Kanälen nachzuschauen. Die freuen sich über jedes Herzchen.
Als Hauptquartier für unsere innerstädtischen Ausflüge haben wir uns den siebten Bezirk namens „Neubau“ rausgesucht. Eine Gegend, die wie eine Mischung aus Schanzen- und Heusteigviertel daherkommt. Leicht alternativ angehaucht, nette Läden und mit einer vielfältigen Gastronomie versorgt.
Hier bekam ich den Eindruck, dass der Wiener entweder gerne seine Kamera kaputt macht oder extrem am „Gear Aquisition Syndrome“ leidet. Denn es gibt einen sehr großen Leica Shop (Die Nasenabdrücke am Schaufenster werden wahrscheinlich jeden Tag weggeputzt) sowie Shops aller anderen gängigen Marken, die schwarze Kästen mit einem Loch vorne herstellen und feilbieten. Dazu unzählige Gebrauchtkameraläden mit Schmuckstücken für den großen und kleinen Geldbeutel. Und alles in unmittelbarer Nähe der WestLicht Galerie. Zu der später mehr.
Davon, dass direkt um die Ecke die Haupteinkaufsmeile, die Mariahilfer Straße liegt, sollte man sich nicht abschrecken lassen. Die lässt sich nahezu unfallfrei überqueren und somit sehr gut ignorieren. Das richtige Leben findet in den Nebenstraßen statt.
Und so sieht‘s da aus:
Wien besticht natürlich durch das vielfältige kulturelle Angebot. Seien es Falco Gedenkpartys oder klassische Konzerte, Theater, Kabarett, Galerien und so weiter. Bei dem Überangebot haben wir uns hauptsächlich auf die visuellen Künste konzentriert. Zum einen die schon vorher kurz angesprochene WestLicht Galerie. Diese zeigte die fantastische Ausstellung „Fake Truth“ von Alison Jackson. Wenn ihr die Chance habt von ihr eine Ausstellung zu besuchen, geht unbedingt hin! Hier ein ganz kleiner Vorgeschmack:
Zum anderen lief glücklicherweise noch die Ausstellung „Street. Life. Photography“ im Kunsthaus Wien. Diese war bereits in Hamburg in den Deichtorhallen zu sehen, nur ergab sich da für mich keine Möglichkeit, hinzukommen. Insofern ein Pflichttermin für mich.
Zu guter Letzt waren wir noch im Museumsquartier.
Alleine, wenn man hier alle Museen besuchen möchte, kann man locker eine Woche dafür veranschlagen. Also entschieden wir uns für einen Besuch des Leopoldmuseums, in dem die Ausstellung „Wien 1900 / Aufbruch in die Moderne“ als Dauerausstellung zu sehen ist – und das allein auf drei Stockwerke verteilt. Uns interessierten aber vor allem die Werke von Egon Schiele. Wobei ich sagen muss, dass hierbei meine Frau die treibende Kraft war. Es hängt zwar ein Bild von Schiele bei uns in der Wohnung, so richtig beschäftigt hatte ich mich bis dato aber noch nicht mit ihm. Nach der Ausstellung muss ich sagen: Sehr spannender Typ mit einer sehr interessanten Vita. Einfach passend zu Wien.
Kultur macht hungrig. Und wo geht man den Tag über dann am besten hin? Natürlich in ein Kaffeehaus. Schon alleine, um mal einen Wiener Kellner live zu erleben. Man hat ja schon einiges gehört: dass die Unfreundlichkeit zum normalen Umgangston gehört und der Titel „Herr Ober“ viel über die Hierarchie vom Dienstleister zum Gast aussagt. Wenn man damit rechnet, ist diese leicht schmierig-freundliche aber dennoch arrogant-verächtliche Art und Weise durchaus amüsant. Wir fühlten uns auf jeden Fall in jedem Kaffeehaus sauwohl. Weil die von leise klimpernder Klavier-Live-Musik untermalte Atmosphäre total entschleunigend wirkt.. Und schon wegen den oft leicht morbiden Einrichtungen, die zum Teil noch aus Zeiten stammen, in denen ein Kaffee noch ein Kaffee war und eine Torte eine Torte. Und keine Mandelmilchsojahaferlatte mit Rhabarber Flavour und Smarties Topping, gereicht zu einer Chiasamenkarotten Tarte mit Avocadocreme.
Ach und wenn wir schon beim Essen sind… (Vegetarier und Veganer möchten diesen Teil jetzt bitte überspringen und direkt auf die Galerie klicken):
Ein Wiener Schnitzel haben wir natürlich auch probiert. Dafür wollen wir nicht in irgendein Etablissement, welches uns einen schnöden Touristenlappen als Schnitzel vorsetzt. Also habe ich im Vorfeld bei Vincent Klink – bekanntlich ein begeisterter Wien Besucher – per E-Mail nachgefragt, wo man denn ein richtig gutes Schnitzel bekommt. Und der Tipp war wirklich hervorragend: Ein sehr leckeres Kalbsschnitzel mit einen fantastischen Erdäpfelsalat, und das Ganze zu einem sehr fairen Preis. Verspeist in der „Meierei im Stadtpark“. Ich kann‘s nur weiterempfehlen!
Meiner Streetfotografen-Blase sei gesagt (es soll ja tatsächlich noch welche geben, die noch nicht in Wien waren): Es lohnt sich. Ein Wochenende ist zu kurz, um richtig in den Flow zu kommen, denn zumindest in meinem Fall muss ich mich immer erst eine Zeit lang auf eine neue Stadt einlassen, bevor ich richtig loslegen kann.
Aber selbst wenn man nur ein paar Tage vor Ort ist, mangelt es nicht an Fotowürdigem auf den Straßen Wiens. Wobei ich dieses Mal nicht ganz so produktiv war – was insofern nicht wundert, wenn man ständig bei Mélange und Torte im Café abhängt. Und ich dazu für mich festgestellt habe, dass mich zur Zeit die ganz klassischen Street-Themen (Mensch latscht die Straße entlang...Ihr wisst schon) gar nicht mehr so reizen.
Wien ist geil. Sehr geil sogar. Leiwand halt. Aber vier Tage sind definitiv zu kurz. Zum Fotografieren, zum Erleben, einfach, um richtig einzutauchen. Auch das typisch Morbide der Stadt habe ich noch nicht in Gänze erfasst. Wobei, wenn ich mir das letzte Bild so ansehe...
Wir kommen auf jeden Fall wieder!
Bis bald,
Euer TeeKay
Streetfotografie - made in Germany. Das Buch.
Ein, in dieser Form, wohl einmaliger Querschnitt durch die deutsche Streetfotografie.
Von und mit Nicole Struppert, Kay von Aspern, Mario Cuic, Siegfried Hansen, Marco Larousse, Christopher Reuter, Fabian Schreyer, Max Slobodda, Martin U Waltz und mir.
Das Buch kann beim Rheinwerk-Verlag bestellt werden.